Social Media Verwässerung

Social Media – Segen oder Regen?

In der Endphase des Hypes rund um die Icebucketchallenge stellte ich mir die Frage, was ist eigentlich mit dem guten alten Internet passiert? Viele Jahre vor Web 2.0 und der damit verbundenen Entwicklung des Marketing-Begriffs Social Media, war das Internet noch voll mit nützlichen Informationen und spannenden Beiträgen in Foren. Jetzt werden sich sicherlich ein paar Fragen, was denn Foren sein sollen. Ich hoffe natürlich nicht, dass diese Frage aufkommt, aber ich möchte natürlich niemanden mit einer Bildungslücke zurück lassen. Foren waren (sind) Diskussionsplattformen auf denen interessierte Menschen sich über spannende Themen ausgetauscht haben. Natürlich möchte ich hier nicht so tun, als hätten wir damals nicht auch schon Trash gepostet, aber die höchstaktiven motivierten Moderatoren haben immer dafür gesorgt, dass sowas dann schnell in einen Off-Topic-Bereich verschoben wurde. Jaja, noch so ein Wort OFF-TOPIC! Wenn ich heute mir die großen Social Media Plattformen anschaue, frage ich mich häufiger wie zur Hölle ich aus dem Off-Topic-Bereich raus kommen kann, doch ich glaube es gibt hier kein Entkommen. Worauf ich jedoch hinaus wollte mit meiner Einleitung ist, dass wir auch früher schon „Social“ waren und das vielleicht sogar mehr als es heute der Fall ist. Es wurde diskutiert, geholfen, geschnaggt und philosophiert und das alles auch interaktiv. Doch im Gegensatz zu heute, hatten die Menschen wirklich was zu erzählen und die andere Seite hat verstanden worum es ging. Wenn man mal nichts sagen konnte, weil man sich doch nicht mit der Materie auskannte, dann hielt man sich an eine Devise, die heute als Grundregel an jedem internetfähigen Endgerät kleben sollte: „Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal die Schnauze halten!!!“

Ich möchte natürlich nun hier nicht in der Vergangenheit schwelgen, denn wie wir alle wissen, war früher alles besser sogar die Zukunft. Nein, das Ziel dieses Beitrages ist es einmal zu beleuchten was uns die technische Entwicklung mit Social Media eigentlich wirklich gebracht hat. Natürlich möchte ich auch ein wenig meinen Frust raus lassen, das kann und will ich nicht verheimlichen. Als Betriebswirt und jemand der sein Geld auch mittels Social Media Marketing verdient, möchte ich natürlich nicht nur die eine Seite der Medaille betrachten sondern beide. Und da ich bei meiner Deutschlehrerin damals gelernt habe, man soll immer mit dem Bereich beginnen, der nicht die favorisierte These ist, beginne ich natürlich erstmal mit den positiven Aspekten von Social Media.

Social Media – Ein Segen

Ich habe mich also gefragt, was hat uns die aktuelle Variante von Social Media wirklich gebracht und wofür können wir mehr oder minder dankbar sein. Eins ist ganz klar, Social Media hat uns allen sehr sehr sehr viel Geld gespart. Kommunikation war selten günstiger als Aktuell. Wir können kostenlos Nachrichten versenden (früher hat eine SMS teilweise 0,39 Pfennig gekostet), wir können kostenlos Telefonieren, wir können einfach Medien mit Bekannten teilen. Eine Meinungsäusserung ist somit quasi kostenlos! WOW! Wahrscheinlich würden meine Eltern heute Ferrari fahren, wenn sie kostspieligen Telefon- und Handyrechnung des pubertären Kindes nicht am Ende des Monats eingetrudelt wären. Doch nicht nur für uns Privatpersonen ist Social Media eine massive Kostenersparnis, auch Unternehmen lächeln immer mehr, wenn sie den Begriff Social Media hören. Nie war es günstiger so viele Menschen zu erreichen wie heute. Wo früher noch auf der Abrechnung ein sechs- bis siebenstelliger Betrag auf dem Budgetplan stand, steht heute häufig nur noch ein fünfstelliger. Das klingt jetzt so noch nicht so wirklich nach einer Ersparnis, deshalb erspar ich euch das natürlich nicht und schreibe das mal kurz in echten Zahlen runter:

2002 kostete ein 20 sekundenlanger TV-Spot knapp 30.000€ (Ausstrahlung vor der Tagesschau). Nun strahlt man so einen Spot natürlich nicht nur einmal aus und sondern regelmässig, das wir bei TV einen Branding-Effekt erzielen wollen. Sagen wir mal ein Monat durch jeden wird unser Spot zweimal pro Woche ausgestrahlt. Macht also 9 Ausstrahlungen  im Monat und somit schon alleine für die Sendezeit 270.000€. Realistisch gesehen würde man zusätzlich noch zu anderen Zeiten den Spot einbuchen um die Bekanntheit wirklich zu steigern. Also gehen wir davon aus, wir haben 350.000€ schon einmal nur an ARD überwiesen. Wir können aber so einen Spot selber schlecht mit unseren eigenen rudimentären Mitteln und dem knappen Wissen erstellen, also stellen wir uns hierfür eine Agentur an oder wenden uns direkt selber an eine Produktionsfirma. Hier kommen dann also schnell und einfach nochmal 100.000€ für einen mittelmässigen TV-Spot oben drauf. Wer also aufgepasst hat, sieht wir haben für einen Spot den wir einen Monat ausstrahlen 450.000€ schon bezahlt! Gehen wir nun einmal davon aus, wir hätten das absolut mega-saisonale Produkt, dass sich wirklich nur in einem Monat im Jahr verkaufen lässt, wie „Osterkörbchen aus Alpaka-Wolle in Regenbogenfarben“, dann würden wir natürlich auch unsere Social Media Kampagne nur auf diesen Monat konzentrieren. So nehmen wir uns richtig schöne 50.000€, das sind 11% der gesamten TV-Kosten, und investieren diese im ganzen in Facebook (Jaja, wieder Facebook. Aufmerksame Leser, werden in meinem anderen Beitrag schon etwas zu dieser Entscheidung gelesen haben). Das bedeutet  wir haben 1.280€ / Tag. Ich habe mal die klassischen 20% Service-Fee abgezogen, da wir hier natürlich auch Profis die Kampagne erstellen und begleiten lassen. So können wir problemfrei am Tag knapp 600.000 Personen erreichen!! Wenn wir das nun auf 30 Tage hochrechnen macht das 18.000.000 Menschen. Da kann man doch verstehen, dass diese Zahlen so manchem Betriebswirt ein dickes breites Lächeln ins Gesicht zaubert.

Wie der aufmerksame Leser wahrscheinlich schon festgestellt hat, ist das erste „Pro Social Media“-Argument schon relativ lang ausgefallen. Das hat auch einen Grund, den es ist für mich mit das wichtigste Argument für Social Media.  Vor ein paar Jahren wäre vielleicht sogar noch der Abschnitt über die Ersparnisse im privaten Bereich etwas länger ausgefallen, doch der eigene Job prägt natürlich die Weltansicht und dank WhatsAPP & Co, gibt es heute natürlich auch noch mehr Alternativen für kostenlose Kommunikationswege. Jedoch möchte ich nun nicht nur die finanzielle Brille aufsetzen, bin ja kein Schwabe, sondern auch die anderen Vorteile kurz anreissen. Also kurz und knapp..

  • Man hat selten so schnell alte Bekannte wieder gefunden, wie in der heutigen Zeit
  • Glückwünsche zu Lebensereignissen waren nie schneller und unkomplizierter an den Mann (die Frau) zu bringen als heute
  • Der Exhibitionismus sorgt dafür, dass man immer bestens informiert ist, was im Bekanntenkreis gerade so los ist
  • Wer filtern kann, weiß immer was rund um seine Interessengebiete passiert

Es kann sein, dass Leser dieses Beitrages noch andere positive Eigenschaften an der heutigen Social Media Welt erkennen, diese dürfen selbstverständlich gerne in den Kommentaren noch mit in den Ring geworfen werden, aber letztendlich geht es bei einem Blog ja immer um eine subjektive Ansicht der Ding und das ist meine. Vielleicht werden sich auch ein paar der von mir ausgelassenen Vorteile im nächsten Abschnitt als Nachteil wieder finden..

Social Media – Ein Regen

Ich möchte natürlich in diesem Abschnitt nicht alles verteufeln, was uns Facebook, Twitter und Co gebracht haben, sondern möchte euch lediglich dazu bewegen das ganze auch einmal etwas kritischer zu betrachten. Soweit wie möglich werde ich auch die klassischen aus den Medien bekannten Kritikpunkte wie Datenschutz und Desozialisierung durch mangelnden „echten“ Kontakt, im folgenden Abschnitt ausser Acht lassen.

Der Grund oder Auslöser für diesen Beitrag ist, wie weiter oben schon erwähnt, die fragwürdige Icebucketchallenge. Wäre das hier eine interaktive Seite und nicht ein einsamer Blogbeitrag, würde ich nun eigentlich gern mal erfragen, wie viele von euch eigentlich wissen, worum es bei dem ganzen geht. Ich denke ein paar könnten noch mit mehr oder minder gesundem Halbwissen „ALS“ in den Raum werfen, bei anderen ist es sicherlich schon weiter verwässert und es wäre schon nur noch „Spenden“.  Ganz ehrlich hoffe ich, dass das Niveau meiner Leser ein gewisses Mindestmaß hat, so dass keine Antwort wie „Coole Herausforderung“ , „Wer hält mehr aus“ oder „Lustige Aktion wie Fakecationing“ in Frage kommen. Ich könnte nun an dieser Stelle einen kurzen Einblick in die Hintergründe der Icebucketchallenge geben, jedoch möchte ich an dieser Stelle einfach auf die Verlinkung zu Wikipedia im ersten Satz dieses Beitrages verweisen. Jetzt könnten natürlich viele zu recht meckern, weil die Icebucketchallenge ja sicherlich auch für einen guten Anstieg an Spendengeldern gesorgt hat. Das ist natürlich richtig, auch wenn ich in Frage stellen möchte, dass jeder der den umgekehrten Mertesacker gemacht hat, auch wirklich gespendet hat. In den ersten Wochen / Monaten dieser viralen Kampagne wurde der Gedanke der dort hinter steht auch noch gut transpotiert und die kurze crossmediale Unterstützung (TV, Radio, ..) hat die Menschen kurzfristig auch sicherlich noch einmal für ALS sensibilisiert, doch schaut man sich heute die leider schon aus dem Bekanntenkreis stammenden Videos an, stellt man fest, dass es doch nur noch ein weiterer Trend ist auf den ganz viele Menschen mit aufspringen ohne sich mit dem Kernthema auseinander zusetzen. Freunde werden zu Zielscheiben von Nominierungen wie bei lästigen Kettenbriefen. Andere werden plötzlich zu Sozialkritikern und meckern nach ihrem ausgiebigen Schaumbad über die Wasserverschwendung und die Wasserarmut in afrikanischen Ländern. Natürlich kann man das nun hier sehen, wie es viele gerne bei Waffen sehen: „Nicht die Pistole tötet Menschen, sondern Menschen töten Menschen„. DOCH: Ohne Waffen würde uns Menschen das töten deutlich schwerer fallen und ohne die aktuellen Entwicklung in der Social Media Welt würde uns auch die Verwässerung schwerer fallen! Das Mittel zum Zweck trägt immer eine Teilschuld! Ein schöner Beitrag, der meine Meinung teil und sich noch etwas umfänglicher damit auseinander setzt, ist dieser hier: Ice Bucket Challenge: Ich wurde nominiert aber…

Auch wenn die Icebucketchallenge nun der Auslöser dieses Beitrags war, ist die Liste an durch Social Media vernebelten Grundideen unglaublich lang und ich möchte auch kurz erwähnen, dass die Ausnahmen auch immer die Regel bestätigen und gerade jetzt auch mehr Personen anfangen diese Aktion zu hinterfragen, wodurch der Grundgedanke nicht ganz in Vergessenheit gerät.

Doch nicht nur gute Ideen werden im Social Web stetig durch einen anhaltenden non-sense Regen verwässert. Wie viele Freunde habt ihr denn bei Facebook? Richtig, unrealistisch viele. Ich selber, der Menschen eher erstmal kritisch gegenüber steht, habe schon über 300 „Freunde“.  Menschen, die wir nur einmal gesehen haben oder die in der Schulzeit Opfer der eigenen Pupertät waren, werden plötzlich zu digitalen Freunden mit denen man alles teilt. Und NEIN, das hat nix mit unserem Reifeprozess zu tun, so das wir heute nun einmal Kontakte ganz anders betrachten und viel offener sind. Das eigentlich Konzept, dass man mit seinen Freunden im Kontakt bleibt ist in den letzten Jahren immer weiter aufgeweicht worden. In den USA ist schon längst ein Wettkampf daraus geworden, wer die meisten Freunde hat und auch in Deutschland bahnt sich solch eine Entwicklung an. Ich habe die Befürchtung das der Begriff „Freund“ in ein paar Jahren zwingend neudefiniert werden muss, vielleicht ja in etwa diese Richtung „Der Begriff Freund, bekannt aus Facebook, bezeichnet einen Kontakt in sozialen Netzwerken vor dem man sich entblössen möchte“.

Aber das ganze endet ja leider nicht bei Freunden, sondern auch Interessen, Geschmäcker und somit gänzlich das Profil der Menschen wird verwässert. Wo wir früher im Internet noch am Profil einer Person erkennen konnte, wie er wahrscheinlich tickt, kämpft man sich heute durch eine fast unendliche Liste irrelevanter Informationen, die am Ende nur den Schluss zulässt: Auch wenn man hier ein „Profil“ durchgelesen hat, scheint die Person kein eigenständiges Profil zu haben! Selbst 100% gegensätzliche Interessen reihen sich in solchen Profilen friedlich aneinander. So findet man spannender Weise des öfteren mal neben der vegetarischen Gemeinschaft, Vegetarian, auch die BEEF, eine Fachzeitschrift rund um Fleisch! Ich möchte mich hier natürlich grundsätzlich nicht ausschließen, auch ich bin irgendwann mal mit meinen elitären Interessen in die große Pfütze gesprungen und jede Menge irrelevante Interessen sind an meinem Profil kleben geblieben. Wer im Online Marketing arbeitet, der hat leider wenig Möglichkeiten dem ganzen zu entkommen. Wie soll man auch dem Kunden verkaufen, dass das neu entwickelte Produkte wirklich sinnvoll und gut ist, man gleichzeitig aber kein Fan davon werden will. So entschließt man sich einfach, dass man seinen Facebook-Account am Ende doch, als eigene kleine Werbeplattform verkaufen kann.

Vielleicht denken nun ein paar von euch, dass ich das ganze ein wenig zu ernst nehme und es doch nur digitale Informationen über einen digitalen Menschen sind, man das ganze also lockerer sehen sollte. Damit haben die Wenigen natürlich recht. Auch ich schmunzel immer ein wenig, wenn ich von der großen Angst vor dem Social Web höre, welche von irgendwelchen Sozialforschern verbreitet wird, jedoch geht es hier auch nicht darum, dass ich das ganze Thema übermässig ernst nehme. Ich möchte nur ein Stück sensibilisieren und die Medaille einmal von beiden Seiten beleuchten mit einem sehr subjektiven situativen Fokus.

Betrachtet den Beitrag also einfach als kurze Kritik eines Nerds an uns , Social Media, Sozialforschern, Fahrradhändlern und den Medien